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Artikel: Sicherheit planen: Palliatives Notfallmanagement (pflegen:palliativ 35/2017)

Sicherheit planen: Palliatives Notfallmanagement (Nils Wommelsdorf, Auszug aus: pflegen:palliativ 35/2017 Notfälle, Fischer Verlag)
Sicherheit planen: Palliatives Notfallmanagement (Nils Wommelsdorf, Auszug aus: pflegen:palliativ 35/2017 Notfälle, Fischer Verlag)

Zur Ausgabe 35/2017 der Fachzeitschrift “pflegen:palliativ” (Fischer Verlag) habe ich den Artikel “Sicherheit planen: Palliatives Notfallmanagement” über die Notwendigkeit einer Notfallroutine in der Palliativversorgung beigesteuert.
Im Text werden die Basics eines funktionierenden Notfallmanagements mit Bezug auf die Besonderheiten der Palliativversorgung dargestellt – eben keine kurative Rettungskette, sondern eine Variante, die der palliativen Versorgung am Lebensende Rechnung trägt:

    Stressfaktoren mit Folgen
    Erfolg oder Misserfolg der Notfallmaßnahmen in der Palliativversorgung bestimmen auch die Symptomlast von Sterbenden und die Belastungen ihrer Zugehörigen; sie ermöglichen oder verhindern somit die Möglichkeit des Sterbenden und seines Umfeldes, voneinander Abschied zu nehmen.
    Für das Pflege- und Behandlungsteam ergibt sich die schwere Last der Entscheidung aus den grundverschiedenen, folgenschweren Behandlungsoptionen – beispielsweise das Abwägen zwischen Intubation oder palliativer Sedierung. Durch diese Entscheidungssituationen, mit hohen Anforderungen an Handlungssicherheit und Fachlichkeit, entsteht Stress, der unterschiedliche Reaktionen hervorrufen kann. So kann ein „… plötzlicher oder qualvoller Tod eines Patienten/einer Patientin, extrem entstellende Verletzungen, Tod während einer Pflegehandlung […] bereits […] sehr belastend und potentiell traumatisch sein” (Hausmann, 2011: 2). Im schlimmsten Fall können kritische Ereignisse sogar zu behandlungsbedürftigen, psychischen Störungen führen (vgl. Teegen, 2003).”

Das Heft kann hier gekauft werden:
https://www.friedrich-verlag.de/shop/notfalle
oder über die ISSN 1867 – 9390 im Fachhandel bestellt werden.
Eine Übersicht meiner bisherigen Autorentätigkeit findet sich hier:
nilswommelsdorf.de/veroeffentlichungen


Mein Flickr-Album zum Thema: https://www.flickr.com/photos/nilswommelsdorf/albums/72157687719172375

Schmerzerfassung bei Menschen mit Demenz

Wie erfassen Pflegekräfte Schmerzen von Menschen mit Demenz?

Ich bat Pflegekräfte, mir einen kurzen Fragebogen zum Thema “Schmerzerfassung bei Menschen mit Demenz” online auszufüllen.
Insgesamt konnte ich am Ende die Antworten von 534 Pflegenden auswerten (zur Herangehensweise beim Aufruf und der Auswertung, sowie für den vollständigen Datensatz der Umfrage lesen sie bitte am Ende des Artikels unter “Weitere Informationen” weiter).
Wie auch die “BESD-Übungsvideos” entstammt die Umfrage meiner Hausarbeit im Rahmen der Weiterbildung zum Praxisanleiter.

Berufsgruppen und Einrichtungen

Rund 50% der Befragten kamen aus der Krankenpflege, ca. 25% aus der Altenpflege, 1/5 befindet sich noch in der Ausbildung, 5% der Teilnehmer sind in der Pflegehilfe tätig bzw. befinden sich in der entsprechenden Ausbildung.
Fast die Hälfte der Befragten sind in Kliniken tätig, ein Drittel in Pflegeheimen, 15% in der ambulanten Versorgung und weitere rund 6% in der Palliativversorgung (ambulant und stationär).

Wie wird Schmerz bei Menschen mit Demenz erfasst?

Rund die Hälfte der Befragten nutzen eine spezielle Schmerzerfassung für kognitiv eingeschränkte Menschen – in fast 40% der erfassten Einrichtungen ist dies, wie ich es erwartet habe, die BESD. Andere spezielle Schmerzerfassungsinstrumente (BISAD/ECPA, ZOPA, interne Standards u.a.) werden an ca. 15% der Arbeitsplätze angewendet.
Nahezu erschreckend ist die Tatsache, dass in mehr als 46% der Einrichtungen kein spezielles Instrument angewendet wird – obwohl die Expertenstandards zum Schmerzmanagement dies verbindlich vorsehen (hier).
In Einzelfällen wurde hier auch, gerade in Krankenhäusern, die NRS genannt, die bei kognitiv eingeschränkten Menschen meist wenig aussagekräftig ist.

Abbildung 3: Spezielle Schmerzerfassung bei Demenz Vergleich Pflegeheim und Klinik (v.l.n.r.)

Interessant war es hier zu sehen, dass nur ca. 25% der Pflegeheime kein Schmerzerfassungsinstrument bereithalten, während dies in 64% der Kliniken der Fall ist. Dies mag in Teilen an der Spezialisierung einzelner Klinikbereiche (Kinderheilkunde, Entbindung etc.) liegen. Eventuell fehlender Patientenkontakt zu Menschen mit Demenz erklärt aber die insgesamt deutlich schlechtere Schmerzerfassung in Kliniken nicht gänzlich.

Nutzung und Nutzen der speziellen Schmerzerfassung

Spezielle Schmerzerfassung bei Demenz - Häufigkeit

Lediglich die ca. 350 Teilnehmer, in deren Einrichtung eine spezielle Schmerzerfassung implementiert war, konnten diese Fragen beantworten.
Fast 47% der erfassten Einrichtungen nutzen das in ihrer Einrichtung implementierte Erfassungsinstrument täglich oder mehrmals täglich.
In mehr als 26% der Einrichtungen wird das Instrument allerdings nur monatlich oder seltener genutzt, was für eine zuverlässige Erfassung von Schmerzzuständen vermutlich nicht ausreichend ist.

Schmerzerfassungsinstrumente Demenz - Wer arbeitet mit dem Erfassungsinstrument?

Erfasst werden die Schmerzen in fast 85% der erfassten Einrichtungen von Fachkräften, in einem Viertel der Einrichtungen erfreulicherweise auch von Auszubildenden.
Fraglich scheint die Praxis, die Schmerzerfassung, wie in einzelnen Einrichtungen anscheinend üblich, nur durch speziell geschulte Kräfte und Ärzte durchführen zu lassen.
Die Stärke der in den Expertenstandards vorgeschlagenen Erfassungsinstrumente liegt in ihrer unkomplizierten Anwendung. Dadurch kann sie nach kurzer Einarbeitung für Fachkräfte, Auszubildende und Hilfskräfte zu einer sinnvollen Unterstützung im pflegerischen Alltag werden.

Schmerzerfassungsinstrument Demenz - Nutzen für Patient und Personal

Die Hälfte der Befragten gab dann auch an, dass sich durch die spezielle Erfassung die pflegerische Versorgung für die Patienten weniger belastend gestaltet. Ungefähr 27% der Teilnehmer empfindet dadurch auch für sich selbst eine Entlastung. Lediglich rund 30% bemerken weder eine Entlastung für die Pflegebedürftigen noch für die Pflegenden.

Schmerzerfassungsinstrument Demenz - Beliebtheit

Hierzu passt dann auch, dass fast 3/4 der Pflegekräfte das bei ihnen implementierte Instrument gern nutzen.


Palliative Versorgung und Schmerzen bei Menschen mit Demenz

Schmerzerfassungsinstrument Demenz - Palliativversorgung

Überraschend ungenügend scheint die Schmerzerfassung in der Palliativversorgung: In 54% der palliativen Einrichtungen wird keine spezielle Erfassung genutzt. Ein unerwartetes Ergebnis, da gerade in der Palliative Care das Schmerzmanagement elementar ist. Ein stark verbesserungswürdiger Zustand.
Ist aber ein Erfassungsinstrument implementiert, liegt die Erfassungshäufigkeit mit über 86% täglicher oder gar mehrmals täglicher Schmerzerfassung erwartungsgemäß hoch.

WEITERE INFORMATIONEN
Diese Umfrage ist leider nicht repräsentativ, gibt aber einen guten Einblick in die schmerztherapeutische Versorgung von Menschen mit Demenz.
Die Umfrage erfolgte vom 25.11.16 bis zum 31.12.2016.
Den Aufruf habe ich in diversen großen Facebook-Gruppen für Pflegekräfte (Pflegeforum, Pflegekräfte vereinigt euch! und vielen anderen), in verschiedenen Schulen für Alten- und Krankenpflege, auf dem “Pflegeboard” (www.pflegeboard.de), im “Forum Pain Nurse” des cekib (www.cekib.de), sowie über meine eigene Webseite, Facebookseite, YouTube-Videos, Mund-zu-Mund-Propaganda und private E-Mails gestartet.
In den Umfrageergebnissen habe ich ca. 40 der Antworten im Nachhinein insofern “korrigieren” müssen, als dass Antworten zur besseren statistischen Übersicht in bestehende Kategorien “sortiert” werden mussten (beispielsweise “Intensivstation” zu “Klinik” oder “Fachkrankenpfleger Intensiv” zur “Krankenpflege (examiniert)”). Rund 10 Teilnehmer habe ich aus der Auswertung nehmen müssen, da Sie nicht in der Patientenversorgung tätig waren.
Eine Mehrfachteilnahme wurde durch Sperrung der Session-ID und Setzen eines Cookies verhindert.

Die komplette Umfrage kann hier als PDF eingesehen werden:
Schmerzerfassung bei Menschen mit Demenz (Umfrageergebnisse www.nilswommelsdorf.de) (pdf)

E-Learning: Schmerzmanagement in Palliative Care für Pflegefachkräfte

Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bat mich zum kostenlosen E-Learning-Kurs “Schmerzmanagement in Palliative Care für Pflegefachkräfte” ein paar Dinge beizusteuern.

Herausgekommen ist eine grosse, interaktive Palette an Themen, gespickt mit Querverweisen, Videos und Expertenmeinungen, die unter https://lms.uni-kiel.de/url/RepositoryEntry/393248800?guest=true&lang=de abrufbar ist.

Exklusiv für die Einheit habe ich eine Stellungnahme zur Rolle der Pflegekräfte im interdisziplinären Schmerzmanagement (unter “Schmerzmanagement / Aufgaben der Pflege”) verfasst (siehe unten).

Im Bereich “Schmerzmanagement / Das WHO Stufenschema” sind meine Beiträge “Stufenschema der Schmerztherapie“, “Überprüfung der Schmerztherapie“, “Metamizol – Unterschiede im Geschmack” und “PCA-Pumpen” zu finden.
Unter “Schmerzmanagement / Sterbephase und Schmerz” findet sich dann noch das PDF “Medikamente zur subkutanen Gabe in der Palliativversorgung”.

Die Einheit wurde vom Förderverein für Palliativmedizin Kiel e.V. initiiert und finanziell gefördert und von der Akademie der Universitätsklinik Schleswig-Holstein (www.uksh.de) erstellt.

Ich habe ehrenamtlich auf Anfrage von Katrin Eilts-Köchling an diesem Projekt mitgewirkt.

Sechs Fragen an Nils Wommelsdorf (SchmerzNetzwerk Hamburg)

1. Was ist Ihr Beruf und Ihre Funktion?

N. Wommelsdorf: Ich bin Fachkrankenpfleger für Palliative Care und Pain Nurse im Goldbach PalliativPflegeTeam auf St. Pauli und erbringe im Palliative Care Team PalliativPartner Hamburg die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV).
Desweiteren bin ich nebenberuflich als Dozent in verschiedenen Seminaren und Weiterbildungen zu den Themen Palliativversorgung und Schmerztherapie tätig und erstelle Inhalte wie PDFs, Videos und Grafiken zur freien Nutzung im Internet.

2. Welche Rolle hätten Sie bei einem gemeinsamen Essen der Netzwerkmitglieder?

N. Wommelsdorf: Ich bin, glaube ich, wie in meiner beruflichen Tätigkeit zuerst ein Zuhörer, um eine Situation und verschiedene Meinungen zu erfassen. Bin ich dann „im Thema“, versuche ich die verschiedenen Standpunkte zu konkretisieren und gegenüberzustellen – ich glaube, dass man in einem Beruf, der hauptsächlich Beratung, Schulung und Krisenintervention beinhaltet, auch privat immer wieder im Positiven in diese Rolle „fällt“.

3. Warum sind Sie Mitglied im SchmerzNetzwerk Hamburg?

N. Wommelsdorf: Ich bin kurz nach der Gründungsphase auf Empfehlung einer Kollegin hinzugekommen und bis heute sehr angetan von der breitgestreuten Expertise des Netzwerks. Wir decken mittlerweile ja fast das ganze Spektrum an möglicherweise an der Schmerztherapie beteiligten Berufsgruppen ab.

4. Beschreiben Sie einen Erfolg, den Sie in der Schmerzbehandlung hatten.

N. Wommelsdorf: Wir können in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) durch die engmaschige Betreuung nahezu jeden Tag kleine Schritte in Richtung eines optimalen Schmerzmanagements machen.
Uns ist es durch das fachpflegerisch-ärztliche Team immer möglich kurzfristig und ohne Krankenhausaufenthalte auf Schmerzsituationen zu reagieren.
Das ist meine tägliche Aufgabe, die mich seit Jahren sehr erfüllt.

5. Welches Buch liegt zurzeit auf Ihrem Nachttisch und warum?

N. Wommelsdorf: Die Aktualisierung des „Expertenstandards Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen“ – rein beruflich bedingt.
Und privat „Maus – Geschichte eines Überlebenden“ von Art Spiegelman. Ein Buch mit leider wieder aktuellem Bezug in dieser Zeit der Flüchtlinge vor Grauen und Krieg.

6. Sie dürfen sich etwas wünschen im Zusammenhang mit dem Thema chronische Schmerzen. Was wünschen Sie sich?

N. Wommelsdorf: Dass professionell Pflegende und Betroffene mehr für das Thema sensibilisiert werden. Wir müssen, wie es mit der palliativen Versorgung ja in den letzten Jahren erfolgreich funktioniert hat, die Menschen über die Kanäle erreichen, die sie ohnehin nutzen – das heisst, mehr Präsenz im Fernsehen, in Printmedien, im Netz.
Jeder, der die Möglichkeiten hat, sollte seinen Teil dazu beitragen – wie ich es seit langem über meine Homepage im Internet mache und wie es ja auch das SchmerzNetzwerk macht.

Vielen Dank für den Beitrag, Herr Wommelsdorf!

 

Aus dem Newsletter des SchmerzNetzwerks Hamburg: http://110764.seu2.cleverreach.com/m/10095323/660109-22584b035bd15395069a0f8bf06542d9

Mehr über das SchmerzNetzwerk Hamburg e.V.: http://www.schmerznetzwerk-hamburg.de