Schlagwort-Archive: Palliativ

Pflegekräfte in der Schmerztherapie: Ausbildung, Möglichkeiten und Perspektiven – Schmerz. Der Podcast.

Ob dreijährig ausgebildet, Assistenzkraft oder in der Betreuung: Pflegekräfte arbeiten direkt an den Menschen und sind elementar für eine funktionierende Schmerztherapie.
In dieser Interviewfolge mit Überlänge spreche ich mit Tim Reinhold (“Medizin und Pflege ist kein Zauberwerk”) über die Pflegeberufe. Es geht um die Aus-, Fort- und Weiterbildung, die Aufgabenbereiche und Möglichkeiten der Pflegekräfte in der Schmerztherapie, die Zusammenarbeit mit den ärztlichen Kolleg*innen und Zukunftsperspektiven.
Tim ist, wie ich, Pflegekraft und Dozent. Er arbeitet als Fortbildungsanbieter und veröffentlicht sehr erfolgreich Wissenswertes zu Medizin und Pflege in Social Media, vor allem auf Facebook: www.facebook.com/TimReinholdBlog

Mehr zu Tims Fortbildungsangeboten unter www.weiterbildungen-reinhold.de

Hier gibt es “Schmerz. Der Podcast” kostenlos zu hören:

und bei Deezer, RTL Plus, Podcast.de und auf allen anderen Podcast-Plattformen.

Musik:

  • Intro, Jingle und Outro: Tidy (Podcast Version) – Heiko Wommelsdorf
  • Needle In A Haystack (Drums And Percussion Only) – David Robson (licensed from www.fesliyanstudios.com)
  • Open– Heiko Wommelsdorf
  • Wet– Heiko Wommelsdorf
  • Dry– Heiko Wommelsdorf

Heiko Wommelsdorf – Midi Piano (Album):

Literatur:

Pflegeausbildung: www.pflegeausbildung.net

“LG-Scheine” für Hilfskräfte in der Pflege: www.pflegestudium.de/weiterbildung/behandlungspflege/

Erwerb erweiterter heilkundlicher Kompetenzen für Pflegekräfte: www.bibb.de/de/139520.php

Anerkennung von Berufsabschlüssen in der Pflege: www.make-it-in-germany.com/de/arbeiten-in-deutschland/gefragte-berufe/pflegekraefte

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Christentum: Leiden und Schmerz am Kreuz – Schmerz. Der Podcast.

Jesus Christus starb unter grössten Schmerzen an ein Kreuz genagelt. Ist es nicht paradox, dass aus Leid, Schmerz und Tod eine der grossen Weltreligionen entsteht? Müssen die Menschen Schmerzen erleiden, um für ihre Verfehlungen zu büssen? Wie stehen die christlichen Kirchen zu alternativen Ansichten?

Oberkirchenrat Dr. Thomas Schaack, Referent für theologische Grundsatzfragen der evangelisch-lutherischen Kirche in Norddeutschland, steht mir Rede und Antwort. Mehr zu Thomas gibt’s hier: https://www.nordkirche.de/adressen/personen/detailansicht/person/thomas-schaack

Hier gibt es “Schmerz. Der Podcast” kostenlos zu hören:

und bei Deezer, RTL Plus, Podcast.de und auf allen anderen Podcast-Plattformen.

Interview-Ausschnitt:

“Senakulo Philippines’ Crucifixions” von Richard Grennan: https://www.youtube.com/watch?v=hXQZ7dlAYDw

Musik:

  • Intro, Jingle und Outro: Tidy (Podcast Version) – Heiko Wommelsdorf
  • Real – Heiko Wommelsdorf
  • Wet – Heiko Wommelsdorf
  • Johann Sebastian Bach – Matthäus-Passion, 54. Choral, BWV 244 (Münchener Bach-Orchester, Münchener Bach-Chor, Münchener Chorknaben unter der Leitung von Karl Richter), Polydor, 1959 (Public Domain)
  • Dry – Heiko Wommelsdorf
  • Sure – Heiko Wommelsdorf
  • Johann Sebastian Bach – Toccata And Fugue In D Minor, BWV 565 (Public Domain)
  • Japanese Koto Consort – Maboroshi O Otte (Public Domain)

Heiko Wommelsdorf – Midi Piano (Album):

Sounds: Sound Effects from Pixabay

Literatur:

Bräunlein P.J. – Von rituellen Selbstreuzigungen, Schmerzphysiologie und sindonologischen Kontroversen. Anmerkungen zur Materialität des Christus-Körpers in Oliver Krüger (Hg.): Der Körper der Religionen (CULTuREL Bd. 5). Zürich: Pano, 2014

Markschies C – Der Schmerz und das Christentum. Schmerz 2007 · 21:347–352, DOI 10.1007/s00482-007-0565-0

Das Palliativ-ABC in 30 Sekunden

Zu jedem Buchstaben ein Begriff aus der Palliative Care und eine Erklärung in 30 Sekunden. Vom 22.9.22 bis zum 19.12.22 habe ich an jedem Mittwoch und Sonntag ein kurzes Video hochgeladen. Spontan mit dem Smartphone dort gefilmt, wo mir gerade etwas Zeit blieb, und auf den gängigen Plattformen hochgeladen.
Die Reaktionen waren von Video zu Video sehr unterschiedlich: Das TikTok-Publikum war sehr an Benzodiazepinen interessiert, während sich Facebook eher für Neuroleptika erwärmt. Instagram möchte mehr über Fatigue erfahren und YouTube-Zuschauer*innen finden Infos über die Traditionelle Chinesische Medizin (“Yin und Yang”) sehenswert.
Die Videos sind weiterhin zu sehen auf

Zum krönenden Abschluß jetzt auch als Komplettfassung – 26 Begriffe in ca. 15 Minuten auf YouTube:

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Charta zur Betreuung sterbender Menschen

Zum zehnjährigen Jubiläum der “Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen” und dem heutigen Welthospiztag.

Charta Zur Betreuung Sterbender Altenpflege Akademie.pdf

Viele Institutionen und Einzelpersonen haben sie unterschrieben, man findet sie auf Webseiten und Flyern. Aber was ist “Die Charta” eigentlich? Was steht genau im Text? Und wie kann man dafür sorgen, dass ihre Ziele auch erreicht werden?

Mit freundlicher Unterstützung der Fachzeitschrift und E-Learning-Reihe “Altenpflege Akademie” des dck-Verlags (www.altenpflege-akademie.de) und der Koordinierungsstelle für Hospiz- und Palliativarbeit in Deutschland (www.koordinierung-hospiz-palliativ.de) stelle ich den Text hier frei online.

Viel Vergnügen beim Lesen!

Die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen ist mittlerweile die Basis vieler Anstrengungen zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit lebensverkürzenden, fortschreitenden Erkrankungen. Ihre Handlungsempfehlungen umfassen alle Bereiche des öffentlichen Lebens, indem sie Strukturen, die professionell mit den Thematiken konfrontiert sind, aber auch das Privatleben der Menschen zu beeinflussen versucht. Sie bezieht sich auf vorhandene Möglichkeiten der Versorgung, schließt bisher nicht involvierte Gruppen ein und fordert für manche Bereiche erst neu zu
schaffende Strukturen.
Viele Menschen und Institutionen haben die Charta unterzeichnet – doch was genau fordert sie? Und wie kann ich, auch im kleinen Rahmen, Handlungsempfehlungen der Charta umsetzen?

Stationäre Hospize – Struktur, Finanzen und Indikationen zur Aufnahme

Stationäre Hospize.pdf

Alle Fakten zur Struktur, personellen Ausstattung, Finanzen und Indikationen zur Aufnahme in stationäre Hospize. Daten von 2021. Jedes Detail durch Quellen belegt.

 

Im Vordergrund der Hospizarbeit steht die ambulante Begleitung im Haushalt oder in der Familie mit dem Ziel, sterbenden Menschen ein möglichst würdevolles und selbstbestimmtes Leben bis zuletzt zu ermöglichen. […] Neben dieser ambulanten Hospizbegleitung und der Versorgung Sterbender in vollstationären Pflegeeinrichtungen und in Krankenhäusern (insbesondere Palliativstationen) sind in beschränktem Umfang auch stationäre Hospize notwendig.“

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. Präambel)

Strukturell

  • Unterliegen dem Heimgesetz
  • Ausnahmen gegenüber Pflegeheimen und anderen Einrichtungen:
    • Kein Heimbeirat
    • Keine Begünstigungen aufgrund von Erbschaften, Überlassungen etc. möglich

(Heimgesetz (HeimG), 2009, S. §1 Abs. 1,3)

  • selbstständige Einrichtungen mit einem eigenständigen Versorgungsauftrag mit separatem Personal und Konzept -> kein Bestandteil einer stationären Pflegeeinrichtung oder eines Krankenhauses
  • mindestens 8 und höchstens 16 Plätze (30 qm pro Platz, ggf. inkl. Balkon)
  • eingebunden in regionale Strukturen
  • arbeiten mit ambulanten Hospizdiensten eng zusammen

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. §1 Abs. 1,3 und §7 Abs. 4)

Personell

 

  • (Nur) verantwortliche Pflegefachkraft und Stellvertretung: Gesundheits- und Krankenpfleger*in oder Altenpfleger*in, drei Jahre praktische Arbeit (nur verantw. PFK) und 160 Stunden Palliative Care-Weiterbildung

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. §5 Abs. 3)

  • Gesundheits- und Krankenpfleger*innen oder Altenpfleger*innen, Krankenpflegehelfer*innen und andere Pflegekräfte
  • Psychosoziale Fachkräfte (z.B. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen/Psychologen)
  • Fortbildungspflicht

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. §5 Abs. 5,6)

  • Leitungs- und Verwaltungspersonal
  • Hauswirtschafts- und Funktionspersonal
  • Ehrenamtliche Hospizbegleitung (Hospizdienst)

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. §3 Abs. 5)

  • „Hausärztliche“ Versorgung und
  • ärztliche Versorgung im Rahmen der SAPV

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. §3 Abs. 6) (Sozialgesetzbuch (SGB) V, 202)

Finanzierung

 

95% des Bedarfs sind gedeckt durch

  • Krankenkassenleistung (evtl. Spendenfonds oder andere Sozialleistungsträger)
  • Pflegekassenleistung je nach Pflegegrad wird davon abgerechnet
  • Keine Zuzahlungen, 5% durch Spenden

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. § 10 Abs. 8)

„Der tagesbezogene Bedarfssatz […] deckt alle […] Leistungen des stationären Hospizes bei leistungsfähiger und wirtschaftlicher Betriebsführung […] ab.“

Nicht abgedeckt sind:

  • kulturelle Veranstaltungen und Freizeitangebote
  • Trauerarbeit über den Tod des Versicherten hinaus

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. § 10 Abs. 2)

 

2011

(Sozialbehörde, 2011)

2020

(Sozialbehörde, 2020)

Diakonie Hospiz Volksdorf

224,42

394,37

Hamburg Leuchtfeuer Hospiz

237,13

443,15

Hamburg Hospiz im Helenenstift

223,18

397,93

Hospiz am Israelitischen Krankenhaus

396,53

Hospiz Sinus Barmbek

210,34

278,27

Hospiz Sinus Othmarschen

210,34

278,27

Hospiz für Hamburgs Süden

393,07

Emmaus Hospiz

383,71

     

Kinder-Hospiz Sternenbrücke

427,60

746,06

Theodorus Kindertageshospiz

48,72 je Stunde

Tagesbezogene Bedarfssätze der Hospize in Hamburg

Anspruchsberechtigte Versicherte

Erkrankung

 

Alle nachfolgend genannten Aufnahmekriterien müssen erfüllt sein“

(Begutachtungsanleitung, 2019, S. 59)

  • progredienter Verlauf
  • begrenzte Lebenserwartung von Tagen, Wochen oder wenigen Monaten
  • Heilung ausgeschlossen, beispielsweise
    • onkologische Erkrankungen
    • Vollbild der Infektionskrankheit AIDS
    • neurologische Erkrankungen
    • chronische Nieren-, Herz-, Verdauungstrakt- oder Lungenerkrankungen
  • palliativ-pflegerische und palliativ-medizinische Versorgung notwendig
  • Hospizunterbringung vom Betroffenen erwünscht
  • Krankenhausbehandlung nicht erforderlich

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. § 2 Abs. 1,2)

„Eine ambulante Versorgung im Haushalt, in der Familie, bei Bewohnern einer vollstationären Pflegeeinrichtung oder einer vollstationären Einrichtung der Eingliederungshilfe eine Versorgung in der jeweiligen Einrichtung […] [ist nicht ausreichend], weil der palliativ-pflegerische und palliativ-medizinische und/oder psychosoziale Versorgungsbedarf, der aus der Krankheit resultiert, die Möglichkeiten der bisher Betreuenden regelmäßig übersteigt.“

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. § 2 Abs. 1 c)

Versorgung der Symptome, die aus der Erkrankung resultieren, ist nicht möglich durch

  • vertragsärztliche Versorgung
  • Leistungen der häuslichen Krankenpflege (z.B. auch AAPV)
  • Leistungen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung
  • die Begleitung durch einen ambulanten Hospizdienst
  • Angebote durch weitere ambulante Versorgungsformen

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. § 2 Abs. 1 c)

  • Vorliegen eines Pflegegrades im Sinne des SGBXI ist keine Voraussetzung
  • medizinische Aufnahmekriterien zur Hospizversorgung im Vergleich zur SAPV offener bzw. niederschwelliger

(Begutachtungsanleitung, 2019, S. 58)

Überweisung Pflegeheim -> stationäres Hospiz

 

  • Versorgung in stationären Pflegeeinrichtung ist meist möglich

(Begutachtungsanleitung, 2019, S. 60)

„[Nur wenn] ein so hoher palliativer Versorgungsbedarf besteht, dass selbst unter Einbeziehung von ambulanten Leistungserbringern, wie z.B. SAPV-Leistungserbringern ggf. ergänzt um ambulante Hospizdienste, die Versorgung nicht sichergestellt werden kann. Dies kann insbesondere bei einem Bedarf an spezialisierter Schmerztherapie oder aufwendiger intensiver palliativmedizinischer Behandlungspflege der Fall sein.“

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. § 2 Abs. 3)

Aufnahme

  • durch ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung

(Begutachtungsanleitung, 2019, S. 60)

  • zunächst auf 4 Wochen befristet
  • Entlassung bei hinreichender Stabilität möglich
  • Wiederaufnahme möglich.

(Rahmenvereinbarung, 2017, S. §2 Abs. 2)

„Vorsorgliche“ Anträge […] für den Fall, dass die häuslichen Strukturen nicht mehr ausreichen könnten, können nicht bearbeitet werden“

(Begutachtungsanleitung, 2019, S. 61)

  • Anträge aus beispielsweise Krankenhäusern müssen mit Begründung zum aktuellen Status neu gestellt werden

Literaturverzeichnis

Begutachtungsanleitung. (04. 02 2019). Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach §282 SGB V – Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) und stationäre Hospizversorgung.

Heimgesetz (HeimG). (29. 07 2009). Heimgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2970), das zuletzt durch Artikel 3 Satz 2 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2319) geändert worden ist. Bundesgesetzblatt (BGBl.), 2970.

Rahmenvereinbarung. (31. 03 2017). nach § 39a Abs. 1 Satz 4 SGB V über Art und Umfang sowie Sicherung der Qualität nach § 39a Abs. 1 Satz 4 SGB V über Art und Umfang sowie Sicherung der Qualität der stationären Hospizversorgung vom 13.03.1998, i. d. F. vom 31.03.2017.

Sozialbehörde d. Freien und Hansestadt Hamburg. (01. 09 2011). Anlage zur Arbeitshilfe zu § 52 (4) SGB XII Stationäre Hospize vom 01.09.2011 (Gz.: BGV/G221/ 126.00-3-25). Abgerufen am 08. 02 2021 von https://www.hamburg.de/contentblob/2914926/079d853bea1f9980168a8ebf8ead2d0d/data/ah-sgbxii-52-4-hospize02-anlage-bis20123006.pdf

Sozialbehörde d. Freien und Hansestadt Hamburg. (01. 06 2020). Anlage zur Arbeitshilfe zu § 52 (4) SGB XII Stationäre Hospize vom 01.06.2020 (Gz.: BGV/G1321/GSP126.00-3-25). Abgerufen am 08. 02 2021 von https://www.hamburg.de/contentblob/12476190/076318da22d2c5b16f82abfa57d4327c/data/ah-sgbxii-52-4-hospize-anlage-ab20200601.pdf

Sozialgesetzbuch (SGB) V. (18. 01 2021). Gesetzliche Krankenversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 18. Januar 2021 (BGBl. I S. 2) geändert worden ist. Bundesgesetzblatt (BGBl.), 2.

 

Geschichten vom Rand des Lebens: Das unbezwingbare Tor

Geschichten vom Rand des Lebens – Kurioses, Interessantes und Anrührendes aus der Palliativversorgung

Eine neue Kurzgeschichte aus der Palliativversorgung. Eine Hörfassung gibt es hier: https://tinyurl.com/geschichten-tor.

„Das passiert uns vielleicht zweimal im Jahr.“

4:00 Uhr nachts, die Tür hält stand. Die Feuerwehr ist frustriert.

Um 2:00 Uhr habe ich einen Anruf erhalten. Herr Jannsen hat Ängste, ist alleinstehend. Die Kinder sind längst aus dem Haus, die Frau vor Jahren gestorben. Den Lungenkrebs hat er durch die Arbeit im Hafen bekommen. Schiffe lackieren, jahrzehntelang. Dann plötzlich Bluthusten. Krampfanfall auf dem Baugerüst. Krebs in der Lunge, der schon ins Gehirn gestreut hat. Schlechte Prognose, wahrscheinlich bleiben nur wenige Monate.

Angst ist oft einer der Wegbegleiter am Lebensende, Depression ein anderer. Angst kann viele Gründe haben: Angst vor dem Wiederauftreten der belastenden Symptome, einem erneuten Krampfanfall, dem Bluthusten, der Zunahme der Luftnot. Aber auch Angst davor, im Sterben allein zu sein, ohne Gespräche, ohne Trost. Angst, nicht mehr aus dem Bett zu kommen, Hunger und Durst nicht mehr selbst stillen zu können.

Oder die Angst überfallen zu werden: Herr Jannsen hat seine Wohnung zu einer Festung ausgebaut. Mehrere Sicherheitsschlösser, zwei vermauerte Riegel, der Rahmen selbst: auch eingemauert. Wenigstens dieser Angst konnte er durch Geld begegnen.

Der Grund für den nächtlichen Anruf war jedoch nicht ein Überfall, sondern die Angst an sich. Ohne Anlass, ohne körperlichen Auslöser. Ein unbestimmtes Gefühl, Unruhe, fast Panik. „Wie komme ich dem bei?“, muss sich Herr Jannsen gedacht haben. Eine sichere Tür lässt sich kaufen, selbst eine Betreuungskraft lässt sich organisieren. Unser Team kommt auch im Falle eines Falles. Aber all das kann nur Symptome lindern. Angst für eine gewisse Zeit einfach ausschalten ist möglich. Aber dann?

„Nehmen Sie bitte eine Tavor ein!“, empfehle ich.

„Kommen sie dann trotzdem vorbei?“

„Natürlich, Herr Jannsen!“

Er nimmt eine Tablette Tavor, also angstlinderndes Lorazepam, ein und ich mache mich auf den Weg. Der Weg dauert trotz der nachtschlafenen Zeit etwas länger, ich habe ja schließlich kein Blaulicht. Dafür leuchtet kurz nach meinem Eintreffen umso mehr blaues Licht in der Straße.

Ich kann Herrn Jannsen nicht erreichen. Nicht durch Klingel oder Klopfen, nicht durch Anrufe auf allen mir bekannten Telefonnummern. Was, wenn das nun doch ein Vorbote eines Krampfanfalls war? Was, wenn die Panik zur Luftnot geführt hat? Was könnte noch passiert sein? Ich spiele alle Szenarien im Kopf durch. Ich muss da jetzt rein.

Über den Notruf hole ich Polizei und Feuerwehr. Und das Spektakel beginnt. Fragen über mich, Fragen über Herrn Jannsen.

„Warum haben sie keinen Schlüssel?“

„Weil Herr Jannsen das nicht wollte.“

„Aber sie sind doch vom Pflegedienst?“

„Nein, wir erbringen hier nur die zusätzliche palliative Behandlungspflege.“

„Was ist denn palliativ?“

„Das bedeutet, dass wir die Beschwerden durch seine tödliche Erkrankung lindern.“

„Oh. Er ist todkrank? Wie können Sie ihn dann hier allein lassen?“

„Es war seine freie Entscheidung. Er ist ja nicht unzurechnungsfähig.“

„Und was ist, wenn er stirbt?“

„Wie er sterben möchte ist auch seine freie Entscheidung. Wenn er in seiner Wohnung bleiben möchte, akzeptieren wir das natürlich. Auch wenn wir es bei seinen Beschwerden nicht gutheißen und er im Sterben liegt.“

„Aber dann müssen sie ihn doch einweisen!“

„Nein, das wäre Freiheitseinzug. Jeder hat das Recht zu leben und sterben, wie er es möchte. Und wenn er verstirbt, kommen sie ins Spiel.“

3:00 Uhr versucht die Feuerwehr die Tür zu öffnen. Fluchend und mit immer wieder neuem Gerät. Um 6:00 Uhr gibt die Tür auf. Der Türrahmen ist mittlerweile aus der Wand gestemmt.

Herr Jannsen ist zwischenzeitlich auf dem Balkon erschienen. Schlaftrunken von dem Medikament, das bei ihm auch wunderbar als Schlafmittel gewirkt hat. Irgendwann hat ihn der Lärm vor und im Haus dann geweckt. Auf jeden Fall nimmt ihm Tavor die Angst und lässt ihn entspannen. Das weiß ich jetzt.

Als am Morgen Feuerwehr und Polizei abziehen, steht die Tür mit Rahmen neben dem grossen Loch im Flur. Ich empfehle ihm, noch heute auf die Palliativstation in der Klinik zu gehen, damit ein Hospizplatz organisiert werden kann. Angstattacken können gut mit Medikamenten abgefedert werden. Mehr aber auch nicht. Dafür bedarf es einer sicheren Umgebung mit Menschen, die Tag und Nacht für ihn da sind. Ein Hospiz ist dafür der beste Ort.

Als ich mich verabschiede, kann sich Herr Jannsen einen letzten Kommentar nicht verkneifen:

„Haben sie sich die Schuhe wenigstens abgetreten?“

Am Lebensende ist es am schwersten, die gewohnte Umgebung hinter sich zu lassen.

*Namen sind geändert

Schmerzskalen gratis bestellen

Was macht man, wenn man durch die Corona-Pandemie zuhause bleiben muss? Richtig. Man geht ins Internet und versucht die Vorräte an NRS/VAS-Skalen (“Schmerzskalen”) und anderen nützlichen Dingen, die einem die Pharmafirmen zur Verfügung stellen, aufzufüllen.

Dabei findet man häufig die ein oder andere Überraschung. Neue Skalen und Schmerztagebücher (mehrsprachig!), neue Infobroschüren und sogar CDs mit Entspannungs- und Bewegungsübungen.

Achtung: Nicht immer sind die Skalen und das andere Material bei den jeweiligen Firmen erhältlich. Die Webseite kann sich ändern oder die Artikel temporär nicht erhältlich sein. Manchmal hilft ein Anruf bei der jeweiligen Firma, manchmal muss man einfach später noch einmal auf die Seite schauen. Ich versuche, die Infos von Zeit zu Zeit zu aktualisieren und bin gern für Ergänzungen etc. erreichbar.

  • 1a Pharma: NRS/VAS-Skalen, Informationsbroschüren und Schmerztagebücher in fünf verschiedenen Sprachen (leider nur je eine pro Bestellung – selbst telefonisch können keine grösseren Bestellungen gemacht werden) unter https://www.1apharma.de/service/ratgeber_serviceartikel/ (Derzeit nicht erhältlich!)
1aPharma Werbematerial zum Thema "Schmerz"
1aPharma Werbematerial zum Thema “Schmerz”
  • Draco: Dr. Ausbüttel & Co. liefert, wenn man mit Firmenstempel bestellt, über das Bestellformular “Sprechstundenbedarf” sehr gute NRS/VAS-Skalen aus Plastik, Wundlineale, Testprodukte und Broschüren zum Thema “Wunde und Schmerz”. Das Fax kann man hier finden: https://www.draco.de/downloads/
DRACO Schmerzskalen
DRACO Schmerzskalen
Ratiopharm Werbematerial zum Thema "Schmerz"
Ratiopharm Werbematerial zum Thema “Schmerz”
Hexal Schmerzskalen
Hexal Schmerzskalen
Urgo Schmerzskalen und Kartenspiele
Urgo Schmerzskalen und Kartenspiele
Grünenthal Schmerzskalen und "Change Pain"-Infomaterial
Grünenthal Schmerzskalen und “Change Pain”-Infomaterial

Weitere Möglichkeiten: Natürlich lassen sich solche Schmerzskalen auch im Netz bei verschiedenen Anbietern als werbefreier Artikel bestellen – am besten nach “Schmerzskala” oder “Schmerzlineal” suchen.

https://www.aliexpress.com/wholesale?catId=0&initiative_id=SB_20200323030438&SearchText=schmerzskala
Schmerzskalen bei www.aliexpress.com

Die Preisspanne ist hier immens: vom Artikel bei Amazon für fast 9€ (hier -> amazon.de) zu den Direktangeboten der Hersteller aus China, die schon bei 1,50€ (inklusive Versandkosten) beginnen (hier -> aliexpress). Der Vorteil liegt dafür in der Langlebigkeit und der Möglichkeit, die Skalen zumindest wischdesinfizieren zu können.

Grafik: Stufenschema der Schmerztherapie (Version 2)

Eine grafische Übersicht der Schmerztherapie basierend auf dem WHO-Stufenschema mit zusätzlichen Erläuterungen und Erweiterung um “Invasive Schmerztherapie”, “Palliative Sedierung”. und weitere therapeutische Möglichkeiten.

Nach 4 Jahren war eine Überarbeitung dringend notwendig – die Gruppen sind jetzt deutlich erweitert, mit mehr Beispielen und Anwendungsbereichen versehen.

Stufenschema der Schmerztherapie (Version 2) (pdf)

Stufenschema der Schmerztherapie (Version 2) (jpg)

Mein herzlicher Dank für die Mithilfe gilt Heide Kreße.

Bei nichtausreichender Schmerzlinderung wird von links nach rechts die nächste Stufe angewandt.
Von oben nach unten gelesen wird ersichtlich, welche Maßnahmen weitergeführt werden sollten.

Die invasive Schmerztherapie wird in der Literatur häufig als „Stufe 4“ des Stufenschemas bezeichnet.  Diese Bezeichnung ist von der WHO selbst jedoch nicht eingeführt worden.
In einigen Quellen wird auch die transdermale Opioidtherapie oder die Opioidgabe über Pumpensysteme zur „Stufe 4“ hinzugezählt.

Quellen:

WHO guidelines for the pharmacological and radiotherapeutic management of cancer pain in adults and adolescents. Geneva: World Health Organization; 2018. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO.

Schlereth T. et al., Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen, S2k-Leitlinie, 2019, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien, aufgerufen am 15.10.2019

Wagner, Klein – Invasive Schmerztherapie / Nervenblockaden, http://www.dgss.org/patienteninformationen-start/medizinische-schmerzbehandlung/invasive-schmerzbehandlung/, aufgerufen am 15.10.2019

Hoff – Neurochirurgische Schmerzbehandlung, http://www.dgss.org/patienteninformationen-start/medizinische-schmerzbehandlung/neurochirurgische-schmerzbehandlung/, aufgerufen am 15.10.2019

Cherny, Radbruch – Sedierung in der Palliativmedizin – Leitlinie für den Einsatz sedierender Maßnahmen in der Palliativversorgung, EAPC 2009, S. 6 – 8

Tutorials: Inhalation von Cannabis mit Volcano Medic und Mighty Medic

Playlist: https://tinyurl.com/vaporisator

Wer beruflich mit der Inhalation von medizinischem Cannabis zu tun hat, ist vielleicht schon mal über eines dieser Geräte gestolpert:

Der Volcano Medic oder der Mighty Medic – zugelassene, verschreibungsfähige medizinische Hilfsmittel zur Inhalation von beispielsweise Cannabis (PZN 15634242 und 15634236). Die Firma Storz & Bickel (www.storz-bickel.com) hat mir freundlicherweise beide Geräte zu Schulungs- und Demonstrationszwecken überlassen. Mehr Informationen zu den Vaporisatoren gibt es unter www.vapormed.com.

In den jetzt entstandenen Video-Tutorials zeige ich die Bedienung der Vaporizer / Vaporisatoren / Verdampfer zur Inhalation von beispielsweise Cannabisblüten, -tropfen und anderen Kräutern.

Transkripte der Videos:

Tutorial Volcano Medic
Tutorial Volcano Medic

Wer beruflich mit der Inhalation von medizinischem Cannabis zu tun hat, ist vielleicht schon mal über eines dieser
Geräte gestolpert:
Dies hier ist der “Volcano Medic”, den mir die Firma Storz & Bickel überlassen hat.

Wenn ich medizinisches Cannabis zu mir nehmen möchte, also Cannabisblüten vornehmlich, bin ich
darauf angewiesen, das über einen sogenannten Vaporisator oder Vaporizer zu machen.
Alternativen sind: Tee kochen oder Kekse backen. Die Inhalation mit Zigaretten wird natürlich nicht empfohlen, da dies gesundheitsschädlich ist.
Wenn ich den Volcano Medic das erste Mal auspacke, werde ich ein bisschen erschlagen von der Fülle an Inhalt. Da wäre erst einmal das Gerät an sich. Der Volcano Medic ist nicht sehr handlich, ist aber auch nicht für die Benutzung unterwegs gedacht.
Neben dem Volcano selbst enthält der Umkarton noch diverse kleine Kästchen aus Plastik mit den Ballons, über die inhaliert wird, inklusive Mundstück. Ich hab’s mal ausgepackt.
Dies ist so ein großer Ballon. Wie der benutzt wird, erkläre ich später.
Das wichtigste Teil jedoch ist die Füllkammer.
Hier kommt das Cannabis oder auch eine andere Art von Substanz, die ich inhalieren möchte, hinein.

Wie befülle ich den Volcano richtig?

Ich schraube die Füllkammer auf. Der Deckel und hier unten ein feines Metallnetz. Da kann ich beispielsweise einen
Filter einlegen und auf den Filter eine Lösung träufeln. Möglich ist Dronabinol zum Inhalieren, aber natürlich auch irgendetwas anderes.
Häufiger ist allerdings der Fall, dass Medizinalcannabis inhaliert werden soll, also Blüten.
Die muss ich erstmal fein mahlen.
Dies ist natürlich kein Cannabis, das ist einfacher “Knaster Kräutertabak”, fein gemahlen mit dieser Mühle.
So kann ich den hier eingeben, verschließen, die Füllkammer hier oben auf drehen und das Ganze hochheizen. Hier unten ist die Temperatur, die erreicht werden soll, da ist die aktuelle Temperatur und hier kann ich die Solltemperatur erhöhen.
210°C ist für Cannabisblüten meist eine gängige Temperatur.
Jetzt heißt es erstmal warten.

Die Solltemperatur ist erreicht. Bevor ich hier unten über die Taste “Air” den Ballon fülle, muss ich den natürlich erstmal verbinden.
Der Ballon passt hier oben direkt drauf und wird sich gleich aufpumpen.Beenden dann wieder über “Air”.
Jetzt nehme ich ihn hier ab und verbinde das Mundstück. Das hält das Gas fest, so kommt keine Luft heraus. Jetzt entspannt atmen und das Inhalat etwas länger im Mund behalten nach dem Einatmen.
Oben die Füllkammer entfernen und unten wieder ausstellen.
Jetzt dauert es ein bisschen, der Volcano Medic fährt sich langsam herunter, das heißt, die Temperatur wird niedriger, damit das ganze nicht in der Verpackung weiterglüht.

Tutorial Mighty Medic
Tutorial Mighty Medic

Die Alternative zur Inhalation von Medizinalcannabis, gerade auch für unterwegs, ist beispielsweise der Mighty Medic. Der Mighty Medic wurde mir, wie der Volcano Medic, von der Herstellerfirma Storz & Bickel um damit Schulungen durchzuführen.
Beim Mighty Medic ist der große Vorteil,
dass er sehr leicht, sehr klein und transportabel ist, vom Prinzip her aber genauso wie der große Volcano Medic
funktioniert. Ich habe hier oben einen Drehverschluss und darunter fülle ich das Inhalat ein. Damit ich zusätzlich noch besser mobil bin, habe ich eine kleine Dose mit kleinen Gefässen.
Das hier ist ein kleines Döschen mit einem Deckel.
Hier kann ich mein Inhalat einfüllen. Auch hier kann ich wieder über einen Tropfschwamm auch Tropfen nutzen – meistens ist es allerdings das Medizinalcannabis, also die gemahlenen Blüten.
Hier müssen sie auch wieder mit einer Mühle gemahlen werden. Ich habe schon mal ein kleines Gefäß vorbereitet – hier befindet sich jetzt schon das Medizinalcannabis drin
Das lege ich jetzt oben einfach ein, verschließe das Ganze wieder und starte den Apparat.
Auch hier ist wieder 210°C die empfehlenswerte Temperatur.
Jetzt heißt es warten.

Der Mighty Medic wird über ein Netzgerät geladen, das natürlich mit dabei ist. Desweiteren sind auch da die üblichen Reinigungsmaterialien dabei: ein kleiner feiner Pinsel, falls Rückstände übrigbleiben und Gummidichtungsringe, damit ich den selber auch ein bisschen warten kann.
Er hat sogar einen Vibrationsalarm. Wenn die Temperatur erreicht ist, muss ich oben einmal nach außen drehen und kann mit dem Inhalieren beginnen.

Geschichten vom Rand des Lebens: Protokoll einer Nacht

Geschichten vom Rand des Lebens – Kurioses, Interessantes und Anrührendes aus der Palliativversorgung

Diese Kurzgeschichte wurde im Mai 2019 von der österreichischen Seite und Fachzeitschrift “Pflege Professionell” veröffentlicht (https://pflege-professionell.at/geschichten-aus-der-pflege-protokoll-einer-nacht), eine Hörfassung gibt es hier: https://tinyurl.com/geschichten-nacht.

Protokoll einer Nacht (https://pflege-professionell.at)
https://pflege-professionell.at/geschichten-aus-der-pflege-protokoll-einer-nacht

21:45 – Ein angenehmer Tag liegt hinter mir.
Am Morgen Frühdienst mit meinem normalen Arbeitspensum, am Nachmittag mit der Familie die Sonne im Garten genießen. Zwischendurch ab und an das Bereitschaftstelefon, meist wegen organisatorischer Fragen oder Unsicherheit bei der Bedarfsmedikamentengabe.

Ich arbeite in der SAPV, der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Ich versorge schwerstkranke und sterbende Menschen in der Häuslichkeit oder im Pflegeheim.

Nun liege ich also entspannt auf dem Sofa und gucke fern. Ich genieße es, neue Serien zu gucken und das zwiespältige Vergnügen, einerseits müde zu sein und andererseits dann doch bei jedem Cliffhanger weiterzuschauen. Um 21:45 klingelt das Telefon und der Mann von Frau Hahn ruft an.

Am vorigen Morgen habe ich Frau Hahn aufgrund ihrer starken Schmerzen eine subkutane Medikamentenpumpe gebracht. In der vorletzten Nacht sind die Schmerzen derart eskaliert, dass die Angehörigen sehr viele Morphininjektionen geben mussten und eine Dauergabe unumgänglich war. Im Verlauf des Tages hat sich die Anspannung dann gelegt, der Allgemeinzustand jedoch verändert. Trotz der wirklich niedrigen Dosis an Morphin über die Pumpe, war sie heute im Frühdienst nur noch schwer kontaktierbar. Sie reagiert noch auf Ansprache, jedoch ist der Lidschluß inkomplett, die Atmung durch den offenen Mund unregelmäßig und leicht brodelnd. Alles Zeichen eines baldigen Versterbens. Die Angehörigen habe ich schon am Morgen über den zu erwartenden Verlauf aufgeklärt, ihnen Mundpflege mit einer Sprühflasche und möglichst wenig belastende Pflegehandlungen angeraten sowie das weitere Procedere erläutert.

Diese Situationen sind trotz bester Vorbereitung für Angehörige äußerst belastend. Immer, ganz egal, ob jemand vorher viel oder wenig Kontakt zu Sterbenden hatte. Ich kenne diese Anrufe und hoffe, dass ich den Angehörigen wieder etwas Sicherheit vermitteln kann. Frau Hahn wirkt gerade etwas unruhig. Da sie vor 45 Minuten erst einen Bolus, also eine zusätzliche Morphingabe neben der Dauergabe, mit der Pumpe erhalten hat, empfehle ich den Angehörigen buccales, also vorrangig über die Schleimhaut resorbierbares, Lorazepam zu geben. Dies erscheint mir, da ich aufgrund der Beschreibung der Angehörigen motorische Unruhe vermute, als sinnvoller.

Ab 21:55 bin ich mir mehr oder weniger sicher, dass ich in der Nacht noch einen Einsatz bei Frau Hahn haben werde. Entweder die Symptome brechen wieder durch – oder sie ist verstorben.
Trotzdem gucke ich jetzt erst einmal diese Folge der Serie zuende. Meine Frau und ich verabreden schon einmal, wer die Kinder am Morgen zu Schule und Kita weckt, wenn es ein langer Einsatz werden sollte.

Um 3:00 klingelt das Handy. Fr. Hahn ist verstorben.
Ich schäle mich aus dem Bett, trinke einen Becher Milch, putze mir die Zähne. Dann ins Auto. Ein offenes Fenster und Musik helfen, wach zu werden. Das Gute an Nachtfahrten ist ja, dass selbst in der Großstadt kaum Verkehr herrscht. Ich rekapituliere die Ereignisse der letzten Tage, die Veränderung der Symptomlast, die Haltung der Angehörigen. Wie haben sie auf mich gewirkt, was für ein Typus Mensch sind sie, gerade im Hinblick auf eine solche Ausnahmesituation, die das ganze Leben durcheinanderwirbelt.

3:40 – ich komme im Haus der Familie Hahn an.
Ehemann, Sohn und Tochter erwarten mich, andere Angehörige sind schon auf dem Weg. Ich reiche die Hand, blicke den Angehörigen in die Augen – Floskeln möchte ich nicht von mir geben, ich suche lieber ein persönliches Wort in solchen Situationen, gerne auch später.
Die Familie wirkt gefasst, einerseits erleichtert, andererseits traurig. Der Tod kommt selten zur richtigen Zeit: Menschen sterben entweder zu früh oder leiden zu lange.

Wir suchen gemeinsam Kleidung für Frau Hahn zusammen, ich lege mir Waschutensilien zurecht. Die Pflege nach dem Versterben unterscheidet sich nicht wirklich von der Pflege zu Lebzeiten. Ich spreche mit den Verstorbenen, wasche den Körper, schaue, dass der Intimbereich bedeckt bleibt. Am Ende die Augen und den Mund, soweit möglich, schließen, die Hände übereinanderlegen oder falten, je nach religiöser Überzeugung. Für ein ruhiges Ambiente zum Abschiednehmen sorgen.
Ich mag diese Arbeit. Sie ist wichtig. Geburt und Tod sind die einzigen Sicherheiten in diesem Leben. Am Anfang des Lebens ist das Bonding, die Nähe zu den Eltern, die Geborgenheit wichtig. Am Ende des Lebens ist die Nähe zu Familie und Freunden für den Sterbenden, aber auch die Zugehörigen, wichtig. Diese Arbeit hat das Ziel, all das zuhause zu ermöglichen. Das Sterben, den Tod und das, was danach kommt.

Wir sprechen noch ein wenig über die letzten Tage, über die Unsicherheit, die ganz natürlich ist, über die Dinge, die jetzt noch zu erledigen sind. Ich wünsche der Familie viel Kraft und hoffe, dass ich einen friedlichen, guten Abschied ermöglichen konnte. In Hamburg sagt man ja bekanntermaßen „Tschüß“, was in solchen Situationen gut passt.

Um 5:40 bin ich wieder zuhause. Der Hund müsste mal vor die Tür. Danach mache ich mir einen Kaffee und wecke die Kinder.

Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit. Nach solchen Nächten bin ich erschöpft – aber eben auch glücklich, dass ich in der Lage bin, Menschen beim Sterben zu begleiten und den Angehörigen oft ein Trauma zu ersparen.

*Namen sind geändert