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Geschichten vom Rand des Lebens: Das unbezwingbare Tor

Geschichten vom Rand des Lebens – Kurioses, Interessantes und Anrührendes aus der Palliativversorgung

Eine neue Kurzgeschichte aus der Palliativversorgung. Eine Hörfassung gibt es hier: https://tinyurl.com/geschichten-tor.

„Das passiert uns vielleicht zweimal im Jahr.“

4:00 Uhr nachts, die Tür hält stand. Die Feuerwehr ist frustriert.

Um 2:00 Uhr habe ich einen Anruf erhalten. Herr Jannsen hat Ängste, ist alleinstehend. Die Kinder sind längst aus dem Haus, die Frau vor Jahren gestorben. Den Lungenkrebs hat er durch die Arbeit im Hafen bekommen. Schiffe lackieren, jahrzehntelang. Dann plötzlich Bluthusten. Krampfanfall auf dem Baugerüst. Krebs in der Lunge, der schon ins Gehirn gestreut hat. Schlechte Prognose, wahrscheinlich bleiben nur wenige Monate.

Angst ist oft einer der Wegbegleiter am Lebensende, Depression ein anderer. Angst kann viele Gründe haben: Angst vor dem Wiederauftreten der belastenden Symptome, einem erneuten Krampfanfall, dem Bluthusten, der Zunahme der Luftnot. Aber auch Angst davor, im Sterben allein zu sein, ohne Gespräche, ohne Trost. Angst, nicht mehr aus dem Bett zu kommen, Hunger und Durst nicht mehr selbst stillen zu können.

Oder die Angst überfallen zu werden: Herr Jannsen hat seine Wohnung zu einer Festung ausgebaut. Mehrere Sicherheitsschlösser, zwei vermauerte Riegel, der Rahmen selbst: auch eingemauert. Wenigstens dieser Angst konnte er durch Geld begegnen.

Der Grund für den nächtlichen Anruf war jedoch nicht ein Überfall, sondern die Angst an sich. Ohne Anlass, ohne körperlichen Auslöser. Ein unbestimmtes Gefühl, Unruhe, fast Panik. „Wie komme ich dem bei?“, muss sich Herr Jannsen gedacht haben. Eine sichere Tür lässt sich kaufen, selbst eine Betreuungskraft lässt sich organisieren. Unser Team kommt auch im Falle eines Falles. Aber all das kann nur Symptome lindern. Angst für eine gewisse Zeit einfach ausschalten ist möglich. Aber dann?

„Nehmen Sie bitte eine Tavor ein!“, empfehle ich.

„Kommen sie dann trotzdem vorbei?“

„Natürlich, Herr Jannsen!“

Er nimmt eine Tablette Tavor, also angstlinderndes Lorazepam, ein und ich mache mich auf den Weg. Der Weg dauert trotz der nachtschlafenen Zeit etwas länger, ich habe ja schließlich kein Blaulicht. Dafür leuchtet kurz nach meinem Eintreffen umso mehr blaues Licht in der Straße.

Ich kann Herrn Jannsen nicht erreichen. Nicht durch Klingel oder Klopfen, nicht durch Anrufe auf allen mir bekannten Telefonnummern. Was, wenn das nun doch ein Vorbote eines Krampfanfalls war? Was, wenn die Panik zur Luftnot geführt hat? Was könnte noch passiert sein? Ich spiele alle Szenarien im Kopf durch. Ich muss da jetzt rein.

Über den Notruf hole ich Polizei und Feuerwehr. Und das Spektakel beginnt. Fragen über mich, Fragen über Herrn Jannsen.

„Warum haben sie keinen Schlüssel?“

„Weil Herr Jannsen das nicht wollte.“

„Aber sie sind doch vom Pflegedienst?“

„Nein, wir erbringen hier nur die zusätzliche palliative Behandlungspflege.“

„Was ist denn palliativ?“

„Das bedeutet, dass wir die Beschwerden durch seine tödliche Erkrankung lindern.“

„Oh. Er ist todkrank? Wie können Sie ihn dann hier allein lassen?“

„Es war seine freie Entscheidung. Er ist ja nicht unzurechnungsfähig.“

„Und was ist, wenn er stirbt?“

„Wie er sterben möchte ist auch seine freie Entscheidung. Wenn er in seiner Wohnung bleiben möchte, akzeptieren wir das natürlich. Auch wenn wir es bei seinen Beschwerden nicht gutheißen und er im Sterben liegt.“

„Aber dann müssen sie ihn doch einweisen!“

„Nein, das wäre Freiheitseinzug. Jeder hat das Recht zu leben und sterben, wie er es möchte. Und wenn er verstirbt, kommen sie ins Spiel.“

3:00 Uhr versucht die Feuerwehr die Tür zu öffnen. Fluchend und mit immer wieder neuem Gerät. Um 6:00 Uhr gibt die Tür auf. Der Türrahmen ist mittlerweile aus der Wand gestemmt.

Herr Jannsen ist zwischenzeitlich auf dem Balkon erschienen. Schlaftrunken von dem Medikament, das bei ihm auch wunderbar als Schlafmittel gewirkt hat. Irgendwann hat ihn der Lärm vor und im Haus dann geweckt. Auf jeden Fall nimmt ihm Tavor die Angst und lässt ihn entspannen. Das weiß ich jetzt.

Als am Morgen Feuerwehr und Polizei abziehen, steht die Tür mit Rahmen neben dem grossen Loch im Flur. Ich empfehle ihm, noch heute auf die Palliativstation in der Klinik zu gehen, damit ein Hospizplatz organisiert werden kann. Angstattacken können gut mit Medikamenten abgefedert werden. Mehr aber auch nicht. Dafür bedarf es einer sicheren Umgebung mit Menschen, die Tag und Nacht für ihn da sind. Ein Hospiz ist dafür der beste Ort.

Als ich mich verabschiede, kann sich Herr Jannsen einen letzten Kommentar nicht verkneifen:

„Haben sie sich die Schuhe wenigstens abgetreten?“

Am Lebensende ist es am schwersten, die gewohnte Umgebung hinter sich zu lassen.

*Namen sind geändert

Schmerz in den digitalen Medien (Interview, Schmerz und Schmerzmanagement Jg.3, Heft 3/2019)

Ass.-Prof. Dr. Nadja Nestler hat mich für die aktuelle Ausgabe von „Schmerz und Schmerzmanagement“ zum Thema „Schmerz in den digitalen Medien“ interviewt. Das Interview ist hier als Pre-Script mit freundlicher Genehmigung von Hogrefe zu lesen:

Schmerz in den digitalen Medien (Interview mit Nils Wommelsdorf) (pdf)

      • Wommelsdorf, N., Nestler, N.. Schmerz in den digitalen Medien (Interview mit Nils Wommelsdorf).

           Schmerz und Schmerzmanagement (2019), 3:3, pp. 27.

      https://doi.org/10.1024/2504-1037/a000012.

Mehr Informationen zur Zeitschrift gibt es hier: www.hogrefe.de/produkte/zeitschriften/schmerz-und-schmerzmanagement

Die Zeitschrift gibt es hier gedruckt: www.hogrefe.de/produkte/zeitschriften/bestellformular/
und hier als PDF zu kaufen: http://econtent.hogrefe.com/toc/ssm/3/3.
Alternativ kann es über die ISSN-L 2504-1037 (Print ISSN: 2504-1037, Online ISSN: 2504-1320) im Fachhandel bestellt werden.
Eine Übersicht meiner bisherigen Autorentätigkeit findet sich hier:
nilswommelsdorf.de/veroeffentlichungen

Grafik: Stufenschema der Schmerztherapie (Version 2)

Eine grafische Übersicht der Schmerztherapie basierend auf dem WHO-Stufenschema mit zusätzlichen Erläuterungen und Erweiterung um „Invasive Schmerztherapie“, „Palliative Sedierung“. und weitere therapeutische Möglichkeiten.

Nach 4 Jahren war eine Überarbeitung dringend notwendig – die Gruppen sind jetzt deutlich erweitert, mit mehr Beispielen und Anwendungsbereichen versehen.

Stufenschema der Schmerztherapie (Version 2) (pdf)

Stufenschema der Schmerztherapie (Version 2) (jpg)

Mein herzlicher Dank für die Mithilfe gilt Heide Kreße.

Bei nichtausreichender Schmerzlinderung wird von links nach rechts die nächste Stufe angewandt.
Von oben nach unten gelesen wird ersichtlich, welche Maßnahmen weitergeführt werden sollten.

Die invasive Schmerztherapie wird in der Literatur häufig als „Stufe 4“ des Stufenschemas bezeichnet.  Diese Bezeichnung ist von der WHO selbst jedoch nicht eingeführt worden.
In einigen Quellen wird auch die transdermale Opioidtherapie oder die Opioidgabe über Pumpensysteme zur „Stufe 4“ hinzugezählt.

Quellen:

WHO guidelines for the pharmacological and radiotherapeutic management of cancer pain in adults and adolescents. Geneva: World Health Organization; 2018. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO.

Schlereth T. et al., Diagnose und nicht interventionelle Therapie neuropathischer Schmerzen, S2k-Leitlinie, 2019, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien, aufgerufen am 15.10.2019

Wagner, Klein – Invasive Schmerztherapie / Nervenblockaden, http://www.dgss.org/patienteninformationen-start/medizinische-schmerzbehandlung/invasive-schmerzbehandlung/, aufgerufen am 15.10.2019

Hoff – Neurochirurgische Schmerzbehandlung, http://www.dgss.org/patienteninformationen-start/medizinische-schmerzbehandlung/neurochirurgische-schmerzbehandlung/, aufgerufen am 15.10.2019

Cherny, Radbruch – Sedierung in der Palliativmedizin – Leitlinie für den Einsatz sedierender Maßnahmen in der Palliativversorgung, EAPC 2009, S. 6 – 8

Tutorials: Inhalation von Cannabis mit Volcano Medic und Mighty Medic

Playlist: https://tinyurl.com/vaporisator

Wer beruflich mit der Inhalation von medizinischem Cannabis zu tun hat, ist vielleicht schon mal über eines dieser Geräte gestolpert:

Der Volcano Medic oder der Mighty Medic – zugelassene, verschreibungsfähige medizinische Hilfsmittel zur Inhalation von beispielsweise Cannabis (PZN 15634242 und 15634236). Die Firma Storz & Bickel (www.storz-bickel.com) hat mir freundlicherweise beide Geräte zu Schulungs- und Demonstrationszwecken überlassen. Mehr Informationen zu den Vaporisatoren gibt es unter www.vapormed.com.

In den jetzt entstandenen Video-Tutorials zeige ich die Bedienung der Vaporizer / Vaporisatoren / Verdampfer zur Inhalation von beispielsweise Cannabisblüten, -tropfen und anderen Kräutern.

Transkripte der Videos:

Tutorial Volcano Medic
Tutorial Volcano Medic

Wer beruflich mit der Inhalation von medizinischem Cannabis zu tun hat, ist vielleicht schon mal über eines dieser
Geräte gestolpert:
Dies hier ist der „Volcano Medic“, den mir die Firma Storz & Bickel überlassen hat.

Wenn ich medizinisches Cannabis zu mir nehmen möchte, also Cannabisblüten vornehmlich, bin ich
darauf angewiesen, das über einen sogenannten Vaporisator oder Vaporizer zu machen.
Alternativen sind: Tee kochen oder Kekse backen. Die Inhalation mit Zigaretten wird natürlich nicht empfohlen, da dies gesundheitsschädlich ist.
Wenn ich den Volcano Medic das erste Mal auspacke, werde ich ein bisschen erschlagen von der Fülle an Inhalt. Da wäre erst einmal das Gerät an sich. Der Volcano Medic ist nicht sehr handlich, ist aber auch nicht für die Benutzung unterwegs gedacht.
Neben dem Volcano selbst enthält der Umkarton noch diverse kleine Kästchen aus Plastik mit den Ballons, über die inhaliert wird, inklusive Mundstück. Ich hab’s mal ausgepackt.
Dies ist so ein großer Ballon. Wie der benutzt wird, erkläre ich später.
Das wichtigste Teil jedoch ist die Füllkammer.
Hier kommt das Cannabis oder auch eine andere Art von Substanz, die ich inhalieren möchte, hinein.

Wie befülle ich den Volcano richtig?

Ich schraube die Füllkammer auf. Der Deckel und hier unten ein feines Metallnetz. Da kann ich beispielsweise einen
Filter einlegen und auf den Filter eine Lösung träufeln. Möglich ist Dronabinol zum Inhalieren, aber natürlich auch irgendetwas anderes.
Häufiger ist allerdings der Fall, dass Medizinalcannabis inhaliert werden soll, also Blüten.
Die muss ich erstmal fein mahlen.
Dies ist natürlich kein Cannabis, das ist einfacher „Knaster Kräutertabak“, fein gemahlen mit dieser Mühle.
So kann ich den hier eingeben, verschließen, die Füllkammer hier oben auf drehen und das Ganze hochheizen. Hier unten ist die Temperatur, die erreicht werden soll, da ist die aktuelle Temperatur und hier kann ich die Solltemperatur erhöhen.
210°C ist für Cannabisblüten meist eine gängige Temperatur.
Jetzt heißt es erstmal warten.

Die Solltemperatur ist erreicht. Bevor ich hier unten über die Taste „Air“ den Ballon fülle, muss ich den natürlich erstmal verbinden.
Der Ballon passt hier oben direkt drauf und wird sich gleich aufpumpen.Beenden dann wieder über „Air“.
Jetzt nehme ich ihn hier ab und verbinde das Mundstück. Das hält das Gas fest, so kommt keine Luft heraus. Jetzt entspannt atmen und das Inhalat etwas länger im Mund behalten nach dem Einatmen.
Oben die Füllkammer entfernen und unten wieder ausstellen.
Jetzt dauert es ein bisschen, der Volcano Medic fährt sich langsam herunter, das heißt, die Temperatur wird niedriger, damit das ganze nicht in der Verpackung weiterglüht.

Tutorial Mighty Medic
Tutorial Mighty Medic

Die Alternative zur Inhalation von Medizinalcannabis, gerade auch für unterwegs, ist beispielsweise der Mighty Medic. Der Mighty Medic wurde mir, wie der Volcano Medic, von der Herstellerfirma Storz & Bickel um damit Schulungen durchzuführen.
Beim Mighty Medic ist der große Vorteil,
dass er sehr leicht, sehr klein und transportabel ist, vom Prinzip her aber genauso wie der große Volcano Medic
funktioniert. Ich habe hier oben einen Drehverschluss und darunter fülle ich das Inhalat ein. Damit ich zusätzlich noch besser mobil bin, habe ich eine kleine Dose mit kleinen Gefässen.
Das hier ist ein kleines Döschen mit einem Deckel.
Hier kann ich mein Inhalat einfüllen. Auch hier kann ich wieder über einen Tropfschwamm auch Tropfen nutzen – meistens ist es allerdings das Medizinalcannabis, also die gemahlenen Blüten.
Hier müssen sie auch wieder mit einer Mühle gemahlen werden. Ich habe schon mal ein kleines Gefäß vorbereitet – hier befindet sich jetzt schon das Medizinalcannabis drin
Das lege ich jetzt oben einfach ein, verschließe das Ganze wieder und starte den Apparat.
Auch hier ist wieder 210°C die empfehlenswerte Temperatur.
Jetzt heißt es warten.

Der Mighty Medic wird über ein Netzgerät geladen, das natürlich mit dabei ist. Desweiteren sind auch da die üblichen Reinigungsmaterialien dabei: ein kleiner feiner Pinsel, falls Rückstände übrigbleiben und Gummidichtungsringe, damit ich den selber auch ein bisschen warten kann.
Er hat sogar einen Vibrationsalarm. Wenn die Temperatur erreicht ist, muss ich oben einmal nach außen drehen und kann mit dem Inhalieren beginnen.

Geschichten vom Rand des Lebens: Protokoll einer Nacht

Geschichten vom Rand des Lebens – Kurioses, Interessantes und Anrührendes aus der Palliativversorgung

Diese Kurzgeschichte wurde im Mai 2019 von der österreichischen Seite und Fachzeitschrift „Pflege Professionell“ veröffentlicht (https://pflege-professionell.at/geschichten-aus-der-pflege-protokoll-einer-nacht), eine Hörfassung gibt es hier: https://tinyurl.com/geschichten-nacht.

Protokoll einer Nacht (https://pflege-professionell.at)
https://pflege-professionell.at/geschichten-aus-der-pflege-protokoll-einer-nacht

21:45 – Ein angenehmer Tag liegt hinter mir.
Am Morgen Frühdienst mit meinem normalen Arbeitspensum, am Nachmittag mit der Familie die Sonne im Garten genießen. Zwischendurch ab und an das Bereitschaftstelefon, meist wegen organisatorischer Fragen oder Unsicherheit bei der Bedarfsmedikamentengabe.

Ich arbeite in der SAPV, der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung. Ich versorge schwerstkranke und sterbende Menschen in der Häuslichkeit oder im Pflegeheim.

Nun liege ich also entspannt auf dem Sofa und gucke fern. Ich genieße es, neue Serien zu gucken und das zwiespältige Vergnügen, einerseits müde zu sein und andererseits dann doch bei jedem Cliffhanger weiterzuschauen. Um 21:45 klingelt das Telefon und der Mann von Frau Hahn ruft an.

Am vorigen Morgen habe ich Frau Hahn aufgrund ihrer starken Schmerzen eine subkutane Medikamentenpumpe gebracht. In der vorletzten Nacht sind die Schmerzen derart eskaliert, dass die Angehörigen sehr viele Morphininjektionen geben mussten und eine Dauergabe unumgänglich war. Im Verlauf des Tages hat sich die Anspannung dann gelegt, der Allgemeinzustand jedoch verändert. Trotz der wirklich niedrigen Dosis an Morphin über die Pumpe, war sie heute im Frühdienst nur noch schwer kontaktierbar. Sie reagiert noch auf Ansprache, jedoch ist der Lidschluß inkomplett, die Atmung durch den offenen Mund unregelmäßig und leicht brodelnd. Alles Zeichen eines baldigen Versterbens. Die Angehörigen habe ich schon am Morgen über den zu erwartenden Verlauf aufgeklärt, ihnen Mundpflege mit einer Sprühflasche und möglichst wenig belastende Pflegehandlungen angeraten sowie das weitere Procedere erläutert.

Diese Situationen sind trotz bester Vorbereitung für Angehörige äußerst belastend. Immer, ganz egal, ob jemand vorher viel oder wenig Kontakt zu Sterbenden hatte. Ich kenne diese Anrufe und hoffe, dass ich den Angehörigen wieder etwas Sicherheit vermitteln kann. Frau Hahn wirkt gerade etwas unruhig. Da sie vor 45 Minuten erst einen Bolus, also eine zusätzliche Morphingabe neben der Dauergabe, mit der Pumpe erhalten hat, empfehle ich den Angehörigen buccales, also vorrangig über die Schleimhaut resorbierbares, Lorazepam zu geben. Dies erscheint mir, da ich aufgrund der Beschreibung der Angehörigen motorische Unruhe vermute, als sinnvoller.

Ab 21:55 bin ich mir mehr oder weniger sicher, dass ich in der Nacht noch einen Einsatz bei Frau Hahn haben werde. Entweder die Symptome brechen wieder durch – oder sie ist verstorben.
Trotzdem gucke ich jetzt erst einmal diese Folge der Serie zuende. Meine Frau und ich verabreden schon einmal, wer die Kinder am Morgen zu Schule und Kita weckt, wenn es ein langer Einsatz werden sollte.

Um 3:00 klingelt das Handy. Fr. Hahn ist verstorben.
Ich schäle mich aus dem Bett, trinke einen Becher Milch, putze mir die Zähne. Dann ins Auto. Ein offenes Fenster und Musik helfen, wach zu werden. Das Gute an Nachtfahrten ist ja, dass selbst in der Großstadt kaum Verkehr herrscht. Ich rekapituliere die Ereignisse der letzten Tage, die Veränderung der Symptomlast, die Haltung der Angehörigen. Wie haben sie auf mich gewirkt, was für ein Typus Mensch sind sie, gerade im Hinblick auf eine solche Ausnahmesituation, die das ganze Leben durcheinanderwirbelt.

3:40 – ich komme im Haus der Familie Hahn an.
Ehemann, Sohn und Tochter erwarten mich, andere Angehörige sind schon auf dem Weg. Ich reiche die Hand, blicke den Angehörigen in die Augen – Floskeln möchte ich nicht von mir geben, ich suche lieber ein persönliches Wort in solchen Situationen, gerne auch später.
Die Familie wirkt gefasst, einerseits erleichtert, andererseits traurig. Der Tod kommt selten zur richtigen Zeit: Menschen sterben entweder zu früh oder leiden zu lange.

Wir suchen gemeinsam Kleidung für Frau Hahn zusammen, ich lege mir Waschutensilien zurecht. Die Pflege nach dem Versterben unterscheidet sich nicht wirklich von der Pflege zu Lebzeiten. Ich spreche mit den Verstorbenen, wasche den Körper, schaue, dass der Intimbereich bedeckt bleibt. Am Ende die Augen und den Mund, soweit möglich, schließen, die Hände übereinanderlegen oder falten, je nach religiöser Überzeugung. Für ein ruhiges Ambiente zum Abschiednehmen sorgen.
Ich mag diese Arbeit. Sie ist wichtig. Geburt und Tod sind die einzigen Sicherheiten in diesem Leben. Am Anfang des Lebens ist das Bonding, die Nähe zu den Eltern, die Geborgenheit wichtig. Am Ende des Lebens ist die Nähe zu Familie und Freunden für den Sterbenden, aber auch die Zugehörigen, wichtig. Diese Arbeit hat das Ziel, all das zuhause zu ermöglichen. Das Sterben, den Tod und das, was danach kommt.

Wir sprechen noch ein wenig über die letzten Tage, über die Unsicherheit, die ganz natürlich ist, über die Dinge, die jetzt noch zu erledigen sind. Ich wünsche der Familie viel Kraft und hoffe, dass ich einen friedlichen, guten Abschied ermöglichen konnte. In Hamburg sagt man ja bekanntermaßen „Tschüß“, was in solchen Situationen gut passt.

Um 5:40 bin ich wieder zuhause. Der Hund müsste mal vor die Tür. Danach mache ich mir einen Kaffee und wecke die Kinder.

Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit. Nach solchen Nächten bin ich erschöpft – aber eben auch glücklich, dass ich in der Lage bin, Menschen beim Sterben zu begleiten und den Angehörigen oft ein Trauma zu ersparen.

*Namen sind geändert

Pflege bei Schmerzen (Pflege Heute, 7. Auflage, Buchbeitrag)

Das Schreiben des Buchbeitrags „Pflege bei Schmerzen“ für die 7. Auflage des „Pflege Heute“ war für mich persönlich eine grosse Ehre, da ich das „Pflege Heute“ in meiner eigenen Ausbildung als Lehrbuch genutzt habe. Ausserdem ist hiermit endlich mein erster Buchbeitrag veröffentlicht worden, was für mich Anlass genug war, ein paar Anekdoten in einem Video zusammenzuschneiden, und so einen kleinen Blick „hinter die Kulissen“ zu geben.

Das fantastische neue Lehrbuch mit deutlich verbessertem, modernem Stil gibt es hier:

Pflege bei Schmerzen
in: Pflege Heute. Elsevier (Urban & Fischer) Verlag, München, 7. Auflage, 18.3.2019, ISBN 978-3-437-26778-9 (Normalausgabe), ISBN 978-3-437-28143-3 (Kleine Ausgabe)

https://shop.elsevier.de/pflege-heute-9783437267789.html

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Die Anfrage

„Das hier ist die aktuelle, die siebte Auflage des Pflege Heute, des meistverkauften Lehrbuchs für die Pflegeausbildung. Ich möchte in diesem Video kurz erzählen, wie es dazu kam, dass in der aktuellen Auflage als Autor das Kapitel zur Schmerztherapie geschrieben habe: Von der Anfrage bis zur Veröffentlichung. Im Juni 2017 habe ich überraschend eine E-Mail erhalten vom Elsevier Verlag, vom Redaktionsteam des Pflege Heute, ob ich Interesse hätte mitzuschreiben. Für mich kam das wirklich sehr überraschend. Ich habe vorher ein paar Fachartikel geschrieben (Eine Übersicht meiner bisherigen Autorentätigkeit findet sich hier:
nilswommelsdorf.de/veroeffentlichungen), ich habe ein paar Jahre doziert, bin lange im Beruf tätig, in der SAPV und davor in Hospizen.
Aber es kam doch einigermaßen überraschend, über einen netten gemeinsam Freund, Herrn Wenner. Vielen Dank!
Und so stand ich da und dachte: „Pflege Heute? Cool, das ist ja mein Fachbuch, mit dem ich meine Ausbildung damals
gemacht habe!“ Und habe natürlich gleich zugesagt: „Das mache ich! Tolle Sache, da freue ich mich!“

Was kommt auf mich zu?

Aber die Frage war: „Was kommt jetzt auf mich zu?“ Für einen Fachartikel habe ich zuerst ein Brainstorming gemacht, mir dann eine grobe Struktur aufgeschrieben, meine Quellen zusammengesucht – und dann angefangen los zu schreiben, hin und her zu sortieren, zu korrigieren, zu schieben. Dass es bei einem großen Lehrbuch nicht völlig anders läuft, war mir auch klar. Der Verlag gibt jedoch mehr an Struktur vor, deutlich mehr als in einem Fachjournal, da hier das große Ganze zählt.
Wenn ich eine Lehrbuch für eine komplette Ausbildung mache, muss natürlich auch eine gewisse Einheitlichkeit da sein. Noch dazu hat natürlich auch vorher schon jemand ein Kapitel zur Schmerztherapie geschrieben: Thomas Fischer.
Ein Kapitel, das ich auf den aktuellen Stand bringen möchte. Ich möchte es ein bisschen griffiger haben, denn ein paar Sachen haben mir nicht so gepasst – aber alles natürlich im Rahmen dessen, was der Verlag von mir fordert.
So fing also alles damit an, dass ich mir das vorherige Kapitel durchgelesen habe und dann eine Arbeitsversion des Verlags bekommen habe, mit einem riesigen Kopf an verschiedenen Formatierungshilfen und Vorschriften, die ich zu beachten habe, damit das Ganze nicht völlig durcheinander läuft und man sich im Redigat die Finger blutig tippt.

Das Schreiben des Kapitels

Die größte Schwierigkeit war dann auch, sich durch die Formatierungshilfen zu arbeiten. Dazu gibt es auch eine große Übersicht, die man geschickt kriegt, die auch nötig ist. Letztenendes müssen einem trotzdem die Leute aus dem Verlag ein wenig helfen. Ich habe also einige Kapitel neu geschrieben, habe ein paar bestehende umgestellt, umformuliert, Sachen angepasst. Und ein bisschen am Design „geschraubt“, dass heißt neue Bilder dazu, neue Schaubilder dazu entworfen, die dann vom Verlag in gute, druckbare Grafiken „umgebaut“ wurden.
So ging dann das Ganze ein paar mal hin und her. Ich habe meinen Kapitel geschrieben, ich habe es zum Verlag geschickt. Der Verlag hat es redigiert, also korrigiert, geschaut, ob das fachlich okay ist, ob es vom Ausdruck her stimmt. Dann wieder zu mir zurück – da habe ich das Ganze wieder durchgelesen, ich hab’s redigiert. Dann ist es wieder zum Verlag, und dann kam die ganz lange Wartezeit, – ich glaube fast ein Jahr – die es gedauert hat, bis alle Kapitel fertig waren, bis dass das ganze Buch stand, und es dann in den Druck gehen konnte.
So hat es also insgesamt „nur“ zwei Weihnachtskarten gedauert, bis das komplette Buch stand.

Pflege bei Schmerzen in: Pflege Heute. Elsevier (Urban & Fischer) Verlag, München, 7. Auflage, 18.3.2019, ISBN 978-3-437-26778-9 (Normalausgabe), ISBN 978-3-437-28143-3 (Kleine Ausgabe)
Pflege bei Schmerzen
in: Pflege Heute. Elsevier (Urban & Fischer) Verlag, München, 7. Auflage, 18.3.2019, ISBN 978-3-437-26778-9 (Normalausgabe), ISBN 978-3-437-28143-3 (Kleine Ausgabe)

Das fertige Buch

Und vor einigen Wochen habe ich dann endlich mein Exemplar zugeschickt bekommen, ganz aufgeregt den Karton aufgerissen, geschaut, was drin ist.
Und da war es endlich, nach langer Wartezeit: Die siebte Auflage des Pflege Heute!
Ich bin einigermaßen stolz darauf, was für ein tolles Buch daraus geworden ist. Es ist deutlich moderner im Design, es ist besser aufgebaut, hat viel mehr Zusammenfassungen, hat neue, richtig gute, Grafiken, die sehr einleuchtend sind, so dass man verschiedene Lerntypen auch damit gut erreichen kann und für jeden etwas dabei ist.
So glaube ich, dass man mit dem neuen Pflege Heute den Beruf der Krankenpflege, und ich denke auch die generalisierte Ausbildung, in den nächsten Jahren gut meistern kann.
Ich freue mich, dass es ein echt gutes Kapitel geworden ist, und ich hoffe, dass die kommenden Generationen an Schülern das gut nutzen können, und so gut durch die Ausbildung kommen – und sich bewusst sind, wie wichtig die Schmerztherapie, das Schmerzmanagement in der Pflege für alle Patienten ist.“

Schmerzerfassung bei Menschen mit Demenz (E-Learning Altenpflege / Betreuungskräfte Akademie)

Für den „dck media verlag“ habe ich Artikel mit der Möglichkeit zum E-Learning erstellt. Zum Thema „Schmerzerfassung im Alter und bei Demenz“ können in den Magazinen „Altenpflege Akademie“ (Ausgabe 4/2018), mit Schwerpunkt auf Pflegefachkräfte, und in der „Betreuungskräfte Akademie“ (Ausgabe 1/2019), mit Schwerpunkt auf nicht-examinierte Pflege- und Betreuungskräfte, die Artikel gelesen und dann online Fragen dazu beantwortet werden. Sind mindestens 70% der Fragen richtig beantwortet worden, erhält man einen Fortbildungspunkt und ein Zertifikat. Lohnend für alle an der Versorgung beteiligten Kräfte, wenn die Zeit für Präsenzfortbildung knapp wird.

„Durch die zunehmende „Veralterung“ der Gesellschaft steigt die Anzahl der Menschen mit demenziellen Erkrankungen in Deutschland. Die Vorbeugung vor chronischen Schmerzen mit den damit verbundenen körperlichen und psychosozialen Einschränkungen wird erst durch Schmerzerfassung möglich. Diese muss an das veränderte Schmerzerleben und die häufige Bagatellisierung von Schmerzen im Alter angepasst werden.

Während bei Menschen mit leichter Demenz zuverlässige Angaben zu den Schmerzen gemacht werden können, ist bei Menschen mit mittelschwerer und schwerer Demenz durch die abnehmenden kognitiven Fähigkeiten zudem die Kommunikation zunehmend beeinträchtigt. So sollte hier das Verhalten neben der subjektiven Schmerzangabe erfasst und zusätzliche Fremderfassungsinstrumente genutzt werden, die das Verhalten der Betroffenen „von außen“ beurteilen. Die Schmerzerfassung durch Pflegekräfte umfasst jedoch nicht nur das Nutzen der Assessmentinstrumente, sondern auch die Wertung der Testergebnisse auf andere auslösende Faktoren.“

Schmerzerfassung bei Menschen mit Demenz (Artikel und E-Learning)

Neuroleptika als Antiemetika

Neuroleptika als Antiemetika (pdf)

Da immer häufiger Neuroleptika als Antiemetika genutzt werden, habe ich eine Übersicht der gängigen (sowohl zugelassenen als auch off-label genutzten) Dosierungen zusammengestellt. Diese ist als Übersicht gedacht, da bei der Gabe von Neuroleptika immer die niedrigsmögliche Dosis gewählt werden sollte, um Nebenwirkungen wie Sedierung zu vermeiden oder zumindest zu mindern. In der antiemetischen Therapie mit Neuroleptika kann nur durch gut dosierte Gaben die Compliance der Behandelten erhalten werden.

Wirkstoffe:
Haloperidol (Haldol®), Promethazin (Atosil®), Olanzapin (Zyprexa®), Levomepromazin (Neurocil®)

Quellen:
– https://palliativedrugs.com/formulary/de/richtlinien-fur-das-management-von-ubelkeit-und-erbrechen.html (Palliative Care Formulary), abgerufen am 24.9.18
– Universitätsklinikum Essen – https://www.uk-essen.de/tumorforschung/patienten-besucher/empfehlungen-und-informationen-zur-tumortherapie/supportive-therapie/empfehlungen-zur-antiemese-bei/, abgerufen am 21.9.18
– https://www.palliativedrugs.com/formulary/de/olanzapin.html (Palliative Care Formulary), abgerufen am 24.9.18
– Fonte, C. et al. – A review of olanzapine as an antiemetic in chemotherapy-induced nausea and vomiting and in palliative care patients, Critical Reviews in Oncology / Hematology , Volume 95 , Issue 2 , 214 – 221, 2015
– https://palliativedrugs.com/formulary/de/levomepromazin.html (Palliative Care Formulary), abgerufen am 24.9.18

Videos: Tutorials

Playlist (YouTube): https://tinyurl.com/pumpen-tutorials

Auf den Wunsch vieler Kollegen und Freunde hin, habe ich kurze, einfach gehaltene Tutorials (Anleitungen) zu verschiedenen Programmpunkten bei den mir zu Verfügung stehenden Pumpen gedreht.
Es wird, im Gegensatz zu meinen anderen Videos, immer nur ein einzelner Programmpunkt als Anleitung, wie ich es auch in Einarbeitungen mache, behandelt.
Diese Playlist wird mit der Zeit erweitert In den Videos wird die Bodyguard 323, die CADD-Legacy PCA und zukünftig auch die Limless gezeigt werden.


Diese Videos vermitteln nur eine kurze Übersicht und Informationen.
Sie können und dürfen keine Geräteeinweisung ersetzen.

Artikel/PDF: Schmerzmanagement 2.0 (Schmerz und Schmerzmanagement Jg. 1, Heft 4/2017)

In der 4. Ausgabe der Fachzeitschrift „Schmerz und Schmerzmanagement“ des Verlags Hogrefe ist mein Artikel „Schmerzmanagement 2.0 – Die Entwicklung eines digitalen „Opioidkonverters“ zur Schmerztherapie“ über die Entwicklung meiner App und Webseite „Palliative Care Tools“ erschienen.
Ich schreibe über die Hintergedanken und den Weg von der Programmierung zur Veröffentlichung und Rezeption des Opioid-, Kortikoid- und Infusionskonverters.

Das sogenannte „Pre-Script“, also die von mir favorisierte Endfassung vor dem Redigat durch die Redaktion, ist hier mit freundlicher Erlaubnis von Hogrefe zu lesen.

Schmerztherapie 2_0 (Nils Wommelsdorf – Schmerz und Schmerzmanagement 4-17) (pdf)

        • Wommelsdorf, N. (2017). Schmerzmanagement 2.0 – Die Entwicklung eines digitalen „Opioidkonverters“ zur Schmerztherapie.

      Schmerz und Schmerzmanagement (2017), 1:4, pp. 43 – 45.

        https://doi.org/10.1024/2504-1037/a000005.

Mehr Informationen zur App gibt es hier: https://nilswommelsdorf.de/palliative-care-tools/
Mehr Informationen zur Zeitschrift gibt es hier: www.hogrefe.de/produkte/zeitschriften/schmerz-und-schmerzmanagement

Die Zeitschrift gibt es hier gedruckt: www.hogrefe.de/produkte/zeitschriften/bestellformular/
und hier als PDF zu kaufen: http://econtent.hogrefe.com/toc/ssm/1/4.
Alternativ kann es über die ISSN-L 2504-1037 (Print ISSN: 2504-1037, Online ISSN: 2504-1320) im Fachhandel bestellt werden.
Eine Übersicht meiner bisherigen Autorentätigkeit findet sich hier:
nilswommelsdorf.de/veroeffentlichungen